Es gibt wohl kaum ein Ereignis, das einen Menschen emotional so aufwühlt wie das Fremdgehen seines Partners. Sexuelle Untreue kann sehr verletzend sein. Die meisten Paare haben hinsichtlich ihrer Intimität eine ausgesprochene oder unausgesprochene Exklusivität vereinbart. Wird diese nicht oder nicht mehr respektiert, so ist dies häufig der Anfang vom Ende einer Beziehung.
Die Affäre des Partners wird darüber hinaus häufig als das Scheitern von Beziehungs-Verhalten erlebt. Selbst-Vorwürfe und emotionale Zerrissenheit können den betrogenen Partner quälen. Dieser macht sich Vorhaltungen, dem Partner nicht gerecht geworden zu sein. Oder er sieht den Fehler beim untreuen Partner und verlangt von ihm eine Änderung seiner Gefühle. Das alles kann die entstandene Situation häufig noch verschlimmern.
Häufigkeit von sexueller Untreue
Wie häufig gehen Partner eigentlich fremd? Aussagefähige, repräsentative Studien zu diesem Thema sind eher selten. Die Zahlen schwanken zwischen 30 und 40 % der Bevölkerung (eine Dunkelziffer nicht eingerechnet) und sind abhängig von der Stichprobe, vom Zeitraum der Erhebung bzw. vom jeweiligen Kulturkreis. Entgegen der landläufigen Meinung leisten sich Frauen heutzutage genauso häufig Affären wie Männer, wie aktuelle Studien zeigen.
Obwohl sich die meisten Erwachsenen für ihre eigene Beziehung sexuelle Treue wünschen, kommt es mit ca. 30-40 % relativ häufig zu Außenbeziehungen. Offensichtlich gibt es einen Widerspruch zwischen dem Wunsch nach sexueller Treue (Aufrechterhalten der Paar-Loyalität) für die eigene Beziehung und dem tatsächlichen Verhalten.
Funktion des Fremdgehens für die Partnerschaft
Beim Fremdgehen handelt es sich zumeist um ein sehr belastendes Lebensereignis, das mit einer starken Kränkung des Selbstwertgefühls beim Betrogenen einhergeht. Dennoch ist es bislang niemandem gelungen, das Phänomen der Untreue abzuschaffen. Meist erfüllt die Affäre eine bestimmte Funktion für die Partnerschaft.
Zunächst liegt die Vermutung nahe, Affären resultieren aus einer Unzufriedenheit mit der aktuellen Partnerschaft. Das „Ventil“ für die eigene Unzufriedenheit ist die Außenbeziehung. Der Reiz des Neuen vor dem Hintergrund des Bekannten.
Affären können aber müssen kein Symptom für eine nicht funktionierende Partnerschaft sein. Häufig höre ich in meiner Praxis Aussagen wie: „in einer zufriedenen Ehe gibt es doch keine Affäre!“. Die Unzufriedenheit mit der eigenen Partnerschaft kann ein Auslöser sein. Das zeigen sozialwissenschaftliche Studien. Weitere Motive für Fremdgehen können Neugierde, Sehnsucht, Bestätigungsbedürfnis und vieles mehr sein. Also Motive, die nicht unmittelbar aus einer unzufriedenen Partnerschaft resultieren müssen.
Empörung über die Untreue eines Partners
Der betrogene Partner ist nicht nur gekränkt und in seinem Selbstwert verletzt, häufig ist er auch über das Fremdgehen seines Partners stark empört. Der Schmerz über das erlittene Unrecht sitzt beim Betrogenen tief und seine Empörung ist nachvollziehbar. Allerdings hilft diese Empörung über die Untreue des Partners dem Paar und seiner Entwicklung langfristig nicht weiter.
Weshalb es sich lohnt, näher hinzuschauen
Die Empörung selbst resultiert aus einer Täter-Opfer-Haltung. Auf der einen Seite der „egoistische Täter“, der seinen Partner betrogen hat. Auf der andern Seite das „unschuldige Opfer“, das ahnungslos dem Treiben des Anderen ausgesetzt ist. Die Partner vergessen dabei, dass sie sich in einem „Paar-System“ befinden, wo das Verhalten des einen die Reaktion des anderen und umgekehrt beeinflusst.
Wenn das Paar besser verstehen will, wieso es zur Affäre kam, müssen die Partner näher auf die Beziehungsgeschichte des Paares und auf die vielleicht enttäuschten Bedürfnisse / Wünsche ihrer Paar-Geschichte wechselseitig schauen. Erst aus der Kenntnis der verletzten Bedürfnisse im Zusammenhang mit der Biografie jedes einzelnen Partners können sich häufig die Hintergründe für eine Affäre erschließen. Dies ist für mich ein wesentliches Element meiner Paartherapie, wenn Paare anlässlich einer Affäre zu mir kommen.
Nutzen Sie folgende Hinweise zum Umgang mit einer Affäre
1. Eine Affäre muss nicht das Aus für die Beziehung / Liebe bedeuten.
2. Bleiben Sie miteinander respektvoll im Gespräch, mit wechselseitigen Vorwürfen kommen Sie nicht weiter.
3. Versuchen Sie zu verstehen, was der Affäre vorausging und wieso es zur Affäre gekommen ist.
4. Kommen Sie aus der Täter-Opfer-Haltung heraus.
5. Überlegen Sie, wie Sie Ihren Partner über die Außenbeziehung beruhigen können bzw. wie es mit der Dreieckskonstellation weitergehen kann.
6. Prüfen Sie als Betrogener, ob sie vergeben wollen und wann dafür der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
Das formale Paar-Gespräch als Hilfe, um im Kontakt zu bleiben
Ohne einen professionellen Paartherapeuten fällt es vielen Paaren schwer, die Affäre aufzuarbeiten und den Prozess der Aufarbeitung der eigenen Paar-Geschichte zu durchlaufen.
Um miteinander zu den erlittenen Kränkungen und Verletzungen im Kontakt zu bleiben, empfehle ich meinen Paaren, im Gespräch zu bleiben und den Austausch miteinander zu suchen.
Hier kann das „formale“ Paar-Gespräch / Zwiegespräch helfen (Quelle z.B. Michael Lukas Moeller: „Die Wahrheit beginnt zu zweit“). Das Paar nimmt sich hierfür zweimal pro Woche jeweils 10-15 Minuten Zeit. Voraussetzung hierfür ist eine ruhige und entspannte Atmosphäre. Einer beginnt in der Rolle des Sprechers. Unter Beachtung der o.g. Hinweise erzählt er von seinen Verletzungen, Bedürfnissen und Gefühlen:
- Ich habe beobachtet, dass du…(möglichst konkret beschreiben ohne zu werten)
- Dies hat bei mir ein Gefühl von… ausgelöst
- Mir selbst würde es gut gehen, wenn das Bedürfnis nach … berücksichtigt würde
- Ich bitte dich deshalb um…
Nach der Hälfte der Zeit tauschen die Partner die Rollen. Am Ende der definierten Zeit von ca. 20 Minuten endet das Gespräch.
Wenn Sie anfänglich Schwierigkeiten haben, sich im Zwiegespräch an die Regeln zu halten, können Sie Ihre Gedanken in dem o.g. Schema schriftlich formulieren und wechselseitig Ihrem Partner mitteilen. Nach meiner Erfahrung ist dieser schriftliche Dialog eine sehr wertvolle Übung für viele Paare, die nach einer Affäre den Neuanfang wagen wollen.
Dipl.-Psych. Hans-Georg Lauer
Paartherapeut in Köln und Bonn