Cybersex

die heimliche Versuchung

Frank M. (29) war trotz strahlendem Sommerschein am Wochenende nicht draußen. Während andere in Biergärten gehen oder schwimmen, sitzt er am Laptop und surft auf Youporn, fuq, iXXX, tubepleasure und Co. Es begann in der Pubertät. Er war neugierig, suchte Aufklärung, entdeckte die grellbunten Sexwelten des Internets und ließ sich inspirieren und anregen. In Singlezeiten konnte er so ohne viel Aufwand Druck abbauen. Über die Jahre wurde es jedoch immer mehr und mittlerweile fühlt er sich zunehmend abhängig. Nach der Arbeit ist er allein gelangweilt zuhause und befriedigt sich, je nach Stimmung, mal soft, mal hart. War er früher nach ein paar Minuten fertig und machte irgendetwas anderes, verirrt er sich mittlerweile Stunden auf Pornoseiten und findet einfach keinen Ausgang mehr.

Vor einem halben Jahr kam es dann zum Knall:

Frank lebte seit 2 Jahren mit Anne zusammen. Sex war selten. Er wich von Anfang an aus. Häufig gab es deswegen Stress, weil Anne mehr Sex wollte. Wenn sie miteinander schliefen, war seine Erektion oft nicht stabil und so vermied er zunehmend körperliche Nähe.

Vor sechs Monaten waren sie auf einer Party und Frank stahl sich früher weg, um noch kurz online zu gehen. Aber Anne kam unerwartet kurz danach heim und erwischte ihn, als er vor dem Bildschirm masturbierte. Es gab riesen Streit, Fragen und Vorwürfe: „Jetzt ist ja klar, warum wir keinen Sex mehr haben, wenn Du im Internet vögelst!“ Während der folgenden Wochen war sein Pornokonsum das Hauptthema. Frank versprach, damit aufzuhören, doch das gelang ihm nicht. Anne wurde immer misstrauischer, kontrollierte und „ertappte“ ihn und irgendwann war der Stress so groß, dass sie sich trennten. Seitdem konsumiert er noch mehr. Aus Scham, dass Anne den gemeinsamen Freunden davon erzählt haben könnte, zog er sich komplett zurück und verbringt die Feierabende und Wochenenden allein vor dem Laptop. In der Arbeit ist er (noch) „clean“, fährt aber danach auf dem schnellsten Weg heim, um — oft mit Pizza, Chips und zuviel Alkohol — nächtelang zu surfen.

Sex - überall und jederzeit

Durch Tablet und Mobiltelefon ist Pornografie weltweit zugänglich — gratis, jederzeit verfügbar und anonym. Das Angebot reicht von: Bewegtbild und Fotos über Sex-Chats, Webcam-Sex, bis zu Plattformen für erotische Treffen und Seitensprünge. Vor dem Bildschirm ist sexuell alles möglich — ohne Rücksicht oder soziale Hemmung.

Gibt man bei Google den Suchbegriff „Sex“ ein, finden sich über 3 Milliarden Einträge. Ca. 45% aller Erwachsenen haben schon mal pornografische Websites aufgesucht. Schätzungen sprechen von 2 Millionen Internet-Süchtigen in Deutschland, davon sind schätzungsweise 500.000 cybersexsüchtig. Neun Zehntel davon sind Männer. Frauen empfinden bei Pornografie tendenziell eine niedrigere Körperzufriedenheit.

Was am Internetsex reizt, ist sichtbar gewordene Fantasie aller nur denkbarer Praktiken. Der Kick zwischen Faszination, Abscheu, Erregung, heimlich zuschauen.

Tückisch ist daran: Je mehr man guckt, umso mehr prägen die Bilder Vorstellungen, Vorlieben und Wünsche. Sie setzen sich im Kopf fest und aus Inspiration oder Ablenkung wird prägende Gewohnheit. „Normaler“ häuslicher Sex ist im Vergleich dazu langweilig oder zu kompliziert. Bei pornografischem Sex geht´s meist ohne viel Worte zur Sache, der Geschlechtsverkehr entbehrt häufig Respekt, echten Kontakt oder Zärtlichkeit. Folgen von zuviel Internetpornokonsum Was man im Netz alles sehen kann, ist meist weit weg von dem, was in sexuell in der Beziehung lebbar ist. Das führt zu einem Konflikt: Zunehmend fixiert auf spezielle sexuelle Praktiken ohne die man keine Befriedigung mehr erlebt, wird das „Ungewöhnliche“ „normal“ und man braucht immer intensivere, extreme bis hin zu destruktiver Stimulierung. Man vergleicht und kritisiert den Körper der Partnerin und verliert irgendwann das Interesse an partnerschaftlichem Sex. Den lebt man heimlich mit der „unsichtbaren Affaire“, auf die man jederzeit zugreifen kann. Statt durch körperliche Nähe Vertrauen und Zusammengehörigkeitsgefühl zu erleben, fühlt sich die Partnerin verraten. Es kommt zu Misstrauen, Verzweiflung, Minderwertigkeitsgefühlen, Wut und gegenseitiger Entfremdung: Die Pornobilder im Kopf erzeugen eine unsichtbare Barriere und Distanz. „Virtuelles Fremdgehen“ führt dazu, dass Beziehungssex an Intimität und Exklusivität verliert und schließlich verschwindet. Sexuelle Dysfunktionen wie Impotenz, Erektions- oder Ejakulationsstörungen sind häufig die Folge. Ab wann spricht man von „Sucht“? Von Sucht spricht man ab sechs Monate anhaltend intensiver und regelmäßiger Nutzung, mehr als sechs Stunden pro Woche. - Müssen die Reize ständig weiter gesteigert werden? - Wird man hippelig, barsch oder gereizt, wenn man zu lange offline ist? - Hat man mehr Sex online statt in real life? - Erlebt man Kontrollverlust über Dauer des Konsums und entgleisen beim Surfen Zeit und Raum? - Plant man Wochenenden und Unternehmungen nach Rückzugs- und Nutzungsmöglichkeit? - Ist Erregung und Sex nur noch mit speziellen Techniken möglich? Auch berufliche Leistungen leiden:

Unausgeschlafen und unkonzentriert wartet man auf den Feierabend, bis man irgendwann – „nur mal kurz online, während der Kollege in Mittagspause ist ...“ man den Job verliert. Man zieht sich von Freunden und sozialen Kontakten zurück. Die Heimlichkeit und zunehmende Abhängigkeit verursachen Scham, sich „schmutzig“ zu fühlen. Man ist einerseits überstimuliert, andererseits unbefriedigt und zutiefst vereinsamt. Ein Drittel der Betroffenen leidet unter der Isolation, ausgeprägten Angstzuständen und Depressionen. Was tun? Frank hat sich mittlerweile Hilfe geholt. So wollte er nicht weiterleben. Allein schaffte er es nicht. Manchmal war er so verzweifelt, so ohnmächtig im Konsum, dass er sogar schon an Selbstmord gedacht hat. Erfolg durch Beratungsgespräche, Gruppentherapie oder Selbsthilfegruppen ist überraschend gut bei Cybersexsucht. Erfolgreicher als bei anderen Suchterkrankungen wie Alkoholismus oder Medikamentenabhängigkeit, weil man unter dem eigenen „moralischen“ Druck leidet und eigentlich Sehnsucht nach realer körperlicher Nähe hat. Frank tut es einfach gut reden zu können. Zum ersten mal spricht er offen mit einem Menschen darüber, was diese Bilder mit ihm machen. Er kann sich die Last von der Seele reden. In den nun kommenden Wochen und Monaten gewinnt er Stück für Stück Kontrolle über sich selbst zurück, baut das Gefühl von Selbstwirksamkeit auf. Er merkt, wie unfrei er war, in dem, was er anfangs als reizvolle Freiheit empfand. Regelmäßige Termine und ein striktes Entzugsprogramm helfen ihm dabei: Z. B. den privaten Laptop am Abend im Büroschrank einzuschließen, den Handyakku im Auto lassen. Und er nimmt wieder private Kontakte auf: Er sucht sich einen Basketballverein und war schon ein paarmal mit Freunden unterwegs. Es braucht tagtägliches Selbstdisziplin und das gelingt Frank nicht immer. Vielleicht wird er das Thema nie ganz los – aber Kontrolle statt Ohnmacht, ein eigenes selbstbestimmtes Leben ohne diesem lastenden Geheimnis, das ist das Ziel. Und dann hat er vor kurzem Eilleen kennengelernt. Das motiviert ihn richtig, „auf Entzug“ zu bleiben. Das Leben — und vielleicht eine neue Liebe — hat ihn wieder.

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Ausgeschrieben von:

Gabriele Aigner - Heilpraktikerin für Psychotherapie

Vertikale Reiter

Paartherapie München / Paarberatung München / Familientherapie München

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